Kunstausstellung zur Energiegewinnung: Hängende Flügel

Eine Ausstellung in Wilhelmshaven zeigt Kunst, die sich mit den Themen Erdöl, Gas und Windkraft befasst. Lokale Anknüpfungspunkte gibt es genügend.

Ein Windrad dessen Rotoblätter schlaff nach unten hängen.

Ein bisschen flügellahm, die Energiewende: Der regionale Bezug von Bram Kuypers Windmühlenmodell ist offenkundig Foto: Bram Kuype/Kunsthalle WHV

Wilhelmshaven vermarktet sich als Energiedrehscheibe: Am einzigen deutschen Tiefseewasserhafen wird Erdöl, Flüssiggas, Kohle angelandet, verarbeitet oder gleich deutschlandweit per Kabel, Pipelines, LKWs und Bahn verteilt. Daraus eine Ausstellung zu entwickeln, leuchtet ein: „–162 °C, 450 kg/m³ – Fossile Energie, fragile Zukunft“ hat die Berliner Kuratorin Lena ­Johanna Reisner sie genannt. Sie fokussiert die Ambivalenz des Geschäfts.

Die ist in Wilhelmshaven ständig präsent. So wird das umgeschlagene Rohöl unter dem nahegelegenen Dorf Etzel in Höhlen gelagert, in denen sich auch der Hamburger Fernsehturm verstecken ließe. Bürgerini­tiativen kämpfen gegen die Gefahren des weiteren Ausbaus der Kavernenanlage.

Für den Steinkohleimport war Wilhelmshaven bis zum Ukraine­krieg ein zentraler Ort, auch zwei Kraftwerke standen bereit, eines ist inzwischen stillgelegt, das andere soll demnächst Holzpellets verstromen. Aber auch für On- und Offshore-Windkraftanlagen ist der Jade-Weser-Port als Umschlagplatz eingeplant.

Die Temperaturangabe im Ausstellungstitel bezieht sich auf das zum Verflüssigen ­herunter­gekühlte und komprimierte Erdgas: In Wilhelmshaven war 2022 das erste LNG-Terminal Deutschlands in Betrieb gegangen, ein zweites soll folgen. Das Gas kommt per Schiff aus den USA, wo es mit dem hoch riskanten Fracking-Verfahren gewonnen wird.

Auf Klebstoffaktionen der Letzten Generation verzichtet die Schau. Dafür sucht sie aber den Widerstandsgeist im Hambacher Forst auf

40 Plakate dagegen, gestaltet von Visual-Arts-Studierenden in New York, zeigt Reisner in ihrer Schau. Für eines davon sind – hübsch böse – dem Logo des Fracking-Unternehmens Exxon Mobil ein paar Buchstaben geklaut worden, so dass nur noch „Mob“ übrigbleibt. „Frack off America“ prangt auf einem weiteren Poster. Kunst im Demonstrationsmodus.

Die Auswahl der Werke sei nicht einfach gewesen, da sich nicht allzu viele Künst­le­r:in­nen mit fossilen und regenerativen Energien beschäftigten, bemerkt Reisner. Gas, Wind, Sonnenlicht, Strom, Wärme sind schwer darstellbar. Mit Öl ist das anders. Und so startet die Schau mit einer abgefilmten Performance von Ayò Akínwándé. Rücksichtslose Ausbeutung bescherte dem Nigerdelta eine Umweltkatastrophe.

Mit bloßen Händen versucht der Künstler, die Millionen Tonnen des ausgelaufenen Rohöls wegzuschaufeln und mit Frischwasserzufuhr eine Reinigung zu vollziehen. Das aussichtslose Unterfangen ist eine Anklage gegen gierige Ölkonzerne und die tatenlose Politik Nigerias. Mit dem Video wird klar: Die Schau nähert sich dem Energiethema eher auf globaler Ebene.

Mit Ausnahme eines Werks von Bram Kuypers. Der Niederländer bastelte ein Windrad als Modell für das absehbare Scheitern der Energiewende. Statt zu rotieren, hängen seine Rotorblätter erschlafft herab und werden nur von Computergebläsen in zittriger Bewegung gehalten. Ein ironischer Kommentar zur Zeit, in der das ­klimaneutrale Deutschland in weite Ferne rückt, da die anfängliche Energiewendedynamik durch das gerade reformierte Klimaschutzgesetz aufgeweicht wurde.

Auf Klebe-Aktionen der Letzten Generation verzichtet die Schau, stellt aber den Widerstandsgeist im Hambacher Forst aus. Über die von Oliver Ressler gefilmten Bilder vom Wald, den Baumhäusern und der Abraumkante des Braunkohle-Tagebaus berichten einige Besetzer von ihrem Kampf gegen die polizeilich geschützten Interessen der RWE AG und denken mit geradezu naturromantischer Begeisterung über das Ökosystem Wald nach.

Noch ein Film widmet sich dem Aufbegehren. Indigene Künst­le­r:in­nen Australiens erklären in Rachel O’Reillys einstündiger Dokumentation, wie ihr Land durch Fracking kontaminiert und ihm Wasser entzogen wird.

„–162 °C, 450 kg/m³ – Fossile Energie, fragile Zukunft“, Kunsthalle Wilhelmshaven. Bis 26. 5.

Nicht alle Werke überzeugen. Flimmernde Zahlen zur Sonneneinstrahlung bleiben genauso unverständlich wie Versuche, das Greenwashing der Energiekonzerne zu entlarven. Kuratorisches Konzept scheint zu sein, möglichst viele Aspekte anzutippen, statt einige etwas genauer zu betrachten. Dabei sucht die Schau nach Möglichkeiten, wo und wie sich Kunst involvieren kann in die Debatten um eine „fragile Zukunft“. Das überzeugt nicht immer.

Künstlerisch zu beeindrucken, vermag hingegen die zentral unter der Decke rotierende Skulptur „Medusa’s Fossil Addiction“ der Venezolanerin Ana Alenso. Von Zapfhähnen genährte Schläuche, Autoteile, Asphaltfragmente und Kunsthaarsträhnen lassen die Sucht nach immer noch mehr Öl assoziieren. Denken wir die fossilen Rohstoffe aus der Historie unseres Lebensstils heraus, verschwindet ja nahezu alles, was sich in den letzten 200 Jahren an Wohlstand entwickelt hat.

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